Digitale Schule der Zukunft: Einfach mal den Reset-Knopf drücken

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Dr. Anita Stangl hat als Geschäftsführerin des Medien LB eine Mission: Warum sollten Kinder im Jahr 2020 noch immer die gleichen drögen Arbeitsblätter als Lehrmaterialien vorgesetzt bekommen, wie sie zu ihren Schulzeiten? Was kann eine „digitale Schule“ heute schon für Mehrwerte für Kinder und Jugendliche erzielen und wie sieht Bildung in der Zukunft aus? Darüber diskutiert die Unternehmerin und passionierte Schachspielerin im Podcast mit Benjamin Krebs.

Einige Aspekte aus dem Technologie-Dialog mit Dr. Anita Stangl sind im Artikel hier zusammengefasst.

“"Wenn man Schule heute komplett neu erfinden würde, dann würde man doch gar nicht mehr so ein System schaffen. Wir hätten doch Konferenzräume, wo verschiedene Dinge stattfinden, wo sich Arbeitsgruppen treffen, wo verschiedene Themen angegangen werden, wo viel mehr Projektarbeit stattfindet."”

— Dr. Anita Stangl

Guest List

  • Dr. Anita Stangl Geschäftsführerin der MedienLB, Vorstandmitglied beim BfB & ICEM
  • Benjamin Krebs Moderator, Dell Technologies
  • Roland Schäffer Co-Moderator, Dell Technologies

Die Route ist berechnet. Ziel 2030.

 

Hallo und herzlich willkommen zur nächsten Folge auf der Road to 2030, dem Podcast für Technologie und Gesellschaft von Dell Technologies. Alle zwei Wochen nehmen wir euch mit auf eine rasante Fahrt in Richtung digitale Zukunft. Auf unserer Reise haben wir verschiedene Mitfahrer eingeladen, die mit uns darüber sprechen, welche technischen Entwicklungen uns auf unserem Weg ins Jahr 2030 erwarten. Auf dem Beifahrersitz begrüßen wir heute Anita Stangl, Digital-Unternehmerin, Bildungsexpertin und Schachprofi. Ich bin Roland und ich werde euch als Proviant-Beauftragter des Trips mit leckeren Content-Snacks versorgen. Ich hoffe, ihr seid bereit. Anschnallen nicht vergessen! #00:00:49.5#

 

Roland Schäffer: Auf dem Fahrersitz macht es sich heute mein Kollege Benjamin Krebs bequem. Hi Benny! #00:00:55.5#

 

Benjamin Krebs: Hallo Roland! Hallo Anita! #00:00:58.4#

 

Dr. Anita Stangl: Hi Benny! #00:00:59.4#

 

Benjamin Krebs: Ich freue mich sehr auf unsere heutige gemeinsame Fahrt, Anita, auf der Fahrt in der Road to 2030. Sitzt du bequem? #00:01:07.2#

 

Dr. Anita Stangl: Sehr bequem. #00:01:07.9#

 

Benjamin Krebs: Wunderbar! Dann können wir losfahren. Anita, du entwickelst seit 2006 bereits digitale Inhalte für den Schulunterricht. Das ist ja heute wichtiger als je zuvor. Dein Unternehmen MedienLB ist inzwischen der größte private Hersteller für digitalen pädagogischen Content. Ihr habt auch mehrere Auszeichnungen, wie zum Beispiel den Comenius EduMedia Award erhalten. Wie muss ich mir denn so ein digitales Schulbuch überhaupt vorstellen? #00:01:36.0#

 

Dr. Anita Stangl: Diesen Comenius Media Award bekommen wir seit vielen Jahren, immer auch schon für unsere Filmproduktionen, die wir ja seit dem Datum, das du genannt hast, produzieren. Das, was du jetzt ansprichst, ist der Preis, den wir letztes Jahr bekommen haben für ein wirklich digitales Schulbuch. Vielleicht kennt ihr das ein bisschen, die Schulbuchverlage produzieren ja zurzeit auch sogenannte digitale Schulbücher. Das sind aber PDFs von einem Schulbuch, und das ist aus unserer Sicht kein digitales Schulbuch. Da wir nun aus der audiovisuellen Ecke kommen, gehören aus unserer Sicht selbstverständlich Filme in ein digitales Schulbuch, es gehören Animationen in ein digitales Schulbuch, es gehören ganz viele Bilder und Grafiken und Animationen und 3D, und alles, was man sich an digitalen Elementen nur vorstellen kann, gehören da rein, und ganz, ganz viele interaktive Aufgaben. Und das haben wir produziert und eingereicht beim Comenius Award, und die haben gesagt, jetzt geht es das erste Mal in die richtige Richtung und haben sich darüber sehr gefreut. Und wir sitzen jetzt daran und versuchen, das auch zuzulassen. #00:02:39.2#

 

Benjamin Krebs: Das klingt wirklich toll. Trifft auch den Geschmack meines Sohnes, mit dem ich auch im Vorfeld drüber gesprochen habe, der natürlich jetzt auch in dieser speziellen Zeit etwas speziellere Lernvoraussetzungen hat von der Grundschule her. Ich glaube, gerade der interaktive und digitale Part ist tatsächlich was, was uns allen helfen würde. Als ich ihn im Vorfeld kurz gefragt habe, was er sich wünschen würde, war zum Beispiel ein Punkt tatsächlich: Ich möchte gerne die Fragen und Arbeitsaufgaben direkt in dem Schulbuch auch beantworten können und bearbeiten können. Weil Stand heute ist es so, man kriegt‘s zugeschickt, es wird ausgedruckt, ein Foto gemacht und wieder zurückgeschickt, und nachbearbeitet. Von daher glaube ich, hast du da viele Punkte genannt, die unseren Schülern, denke ich, helfen würden, wenn wir das flächendeckend einbeziehen. #00:03:31.2#

 

Dr. Anita Stangl: Vielleicht kann ich das noch ergänzen? #00:03:33.2#

 

Benjamin Krebs: Klar. #00:03:33.2#

 

Dr. Anita Stangl: Ich habe selbst Zwillinge, 15 Jahre alt. Dort ist es genauso, wie du es beschrieben hast, sie bekommen auch 60 Seiten Arbeitsaufträge, die ich ausdrucken muss. Man hört ja schon, die Drucker werden knapp, die Patronen werden knapp in Deutschland. Und die müssen dann handschriftlich ausgefüllt werden. Und dazu ist eine enorme Motivation bei den Schülern notwendig. Aber da kommen wir vielleicht später noch mal drauf. #00:03:58.5#

 

Benjamin Krebs: Ja, ich denke auch, der Kommentar, was du gesagt hast zum Thema interaktiv und auch kooperatives Lernen und Zusammenarbeit, ich denke, da gibt’s schon auch ganz schöne Beispiele, die teilweise auch umgesetzt werden. Aber aus unserer Ansicht nach ist es wichtig, dass wir dort nicht eine neue Art von EDV oder IT-Unterricht machen, sondern wirklich tatsächlich eine neue digitalisierte Art von echtem Unterricht einführen, der es ermöglicht den Schülern zusammenzuarbeiten. Super! Wie bist du denn selber eigentlich dazu gekommen, dich mit der Entwicklung digitaler Medien für den Unterricht zu befassen? Ich meine, wir haben gerade gehört, du hast Zwillinge, vielleicht hat es was damit zu tun, aber was fasziniert dich daran, wie hat das angefangen bei dir? #00:04:42.7#

 

Dr. Anita Stangl: Natürlich spielen die Kinder immer eine große Rolle, aber meine Leidenschaft gilt schon immer dem Thema Bildung. Ich bin selbst ausgebildete Grundschullehrerin und habe dann in der Biologie Didaktik promoviert. Und habe dann einige Jahre ein Multimedia-Akademiechen geleitet und bin dann in die richtige Medienbranche, in die Schulfilmbranche gestiegen. Und habe dort erst beim Länderinstitut Schulfilme produziert und habe dann gesagt, das mache ich selbstständig. Und das mache ich jetzt seit vielen Jahren. Und wie du es vorhin schon erwähnt hast, deutschlandweit oder im deutschsprachigen Raum größter Anbieter mit ganz spannenden Produkten. Und dieses Thema Interaktivität, das du gerade angesprochen hast, das ist erst seit zwei Jahren bei uns auch wirklich auf dem Programm. Bis jetzt waren es Filme und Filmmaterial. Natürlich immer mit ganz viel didaktischem Begleitmaterial, aber das Interaktive, das finden wir so wichtig und so spannend und das bringt auch wieder Spaß und Motivation in den Unterricht. Da haben wir uns orientiert im Ausland, die anderen Länder sind ja deutlich weiter. Und in Norwegen hat man vor sechs Jahren ein Tool entwickelt, das nennt sich H5P, weil sie gesagt haben, wir brauchen mehr Interaktivität an unseren Schulen. Und dann haben sie Programmierer und Lehrer an einen Tisch gesetzt, und die mussten ein Tool entwickeln, und das steht weltweit kostenlos zur Verfügung. Und andere Länder nutzen das schon längst, und wir haben das vor zwei Jahren entdeckt und haben gesagt, das ist das richtige Tool, damit machen wir jetzt unsere interaktiven Materialien. Und das läuft sehr, sehr gut. Und aktuell ist es natürlich extrem gefragt. Also die Schulen, die das einsetzen, sagen, wir brauchen viel, viel mehr davon. #00:06:23.3#

 

Benjamin Krebs: Das ist tolles Feedback. Wirklich stark. #00:06:25.4#

 

Roland Schäffer: Wir sind zwar erst kurz unterwegs, aber ich habe schon den ersten Snack für euch. Ich bin mal gespannt, wie euch das schmeckt. Der Maler Pablo Picasso hat mal gesagt, Computer sind nutzlos, sie können nur Antworten geben. Und auch der deutschlandweit bekannte Entertainer Günther Jauch findet, Bildung lässt sich nicht downloaden. Was meint ihr da dazu? #00:06:45.2#

 

Benjamin Krebs: Finde ich tatsächlich einen spannenden Snack. Ja, ich glaube auch, dass natürlich das Wichtigste ist, dass die richtigen Fragen gestellt werden. Deswegen ist, glaube ich, Pablo Picassos‘ Aussage recht spannend. Und dass wir auch gerade diese Fragestellungen, dieses Erleben und diesen Forschungsdrang von Kindern tatsächlich auch auf digitalem Wege fördern und fordern müssen und sollten. Ich denke, das ist ein ganz essenzieller Bereich. Und den können wir auch nur dadurch erreichen, wenn wir, wie gesagt, nicht nur jetzt einfach das, was wir aktuell tun, dann auf einem Computer ausdrucken und dann machen, sondern indem wir wirklich auch neue Methoden der digitalen Zusammenarbeit, auch der digitalen Stimulierung des Entdeckerwillens unserer Kinder und der Neugier unserer Kinder fördern. #00:07:43.1#

 

Dr. Anita Stangl: Dem Herrn Jauch würde ich eher widersprechen. Bildung lässt sich nicht downloaden, das würde ich so nicht unterschreiben. Natürlich gehört zur Bildung viel, viel mehr, das steht außer Frage, und am schönsten lernt man draußen in der freien Natur. Aber es gibt auch Inhalte, die muss man einfach pauken und üben. Und dazu gehört sicherlich das Downloaden oder das Arbeiten mit digitalem Material. Wenn man viel übt und diese Übung wiederholt, dann bleibt das sitzen. Und das weiß man schon seit 30, 40 Jahren, und jetzt kommen endlich die interaktiven Medien, die dabei helfen und auch noch Spaß machen. #00:08:17.7#

 

Benjamin Krebs: Und ich glaube, Spaß ist immer ein wichtiger Faktor. Nur wenn man Spaß hat, dann kann man auch wirklich lernen. Das ist die Grundvoraussetzung. Von daher stimme ich dir absolut zu. Wenn es um den Einsatz von digitalen Medien im Unterricht geht, da waren viele Schulen bislang auch doch eher zögerlich und teilweise auch kritisch. Der Unterricht findet jetzt allerdings, natürlich gerade im Blick auf COVID-19, hauptsächlich über Homeschooling statt. Ich glaube, dass wir da auch eine sehr unterschiedliche Qualität und auch Geschwindigkeit sehen, wie das dann stattfindet. Also kann ich auch aus persönlicher Erfahrung sagen, dass es bei uns innerhalb von 24 Stunden eine Kollaborationsplattform gab und dann was gemacht wurde. Ich weiß allerdings auch, dass bei anderen Schulen das bei weitem nicht so schnell ging. Und meine Schwester zum Beispiel ist auch Grundschullehrerin, die hat auch ziemlich damit zu kämpfen gehabt. Jetzt aber die Frage: Wie siehst du den Wandel in der Einstellung, was den digitalen Unterricht betrifft? #00:09:16.9#

 

Dr. Anita Stangl: Meine große Angst ist, dass wenn wir sagen, die Schulen öffnen wieder ganz normal, dass das ganze Thema Digitalisierung weg ist. Meine große Hoffnung ist, dass wir tatsächlich erkennen, dass uns dieses Lernen von zu Hause auch helfen kann und dass das eine neue Methode ist, dass wir das fortsetzen, insbesondere für Schüler, die nicht in die Schule kommen. Und dieses Lernen von zu Hause oder Homeschooling, wie man so schön sagt, das muss erst mal gelernt werden. Genauso wie Homeoffice muss, aus meiner Sicht, gelernt werden. Es muss ein Arbeitsplatz für die Kinder geschaffen werden, genauso wie für die Erwachsenen. Und die müssen ihre Ruhe haben, wenn sie tatsächlich dort lernen sollen. Und der Lehrer, der das über irgendwelche Meetings auch immer macht, der muss die Kompetenz dafür haben. Und das heißt, wir brauchen ganz dringend Lehrerqualifizierung und Lehrerschulung, weil man muss die Methoden dann ganz neu definieren. Macht man das mit Kärtchen, die man hochhält, oder macht man das mit Pausen oder Zwischenaufträgen? Also da gibt’s ja ganz, ganz viele Varianten, die wir erst mal neu entwickeln müssen und die dann zum Einsatz kommen können. #00:10:21.6#

 

Benjamin Krebs: Ja, das denke ich auch. Also dass ein großer Bestandteil da auch einfach auf die Qualifizierung der Lehrer und die Themen, auch die Möglichkeiten für die Lehrer einhergeht. Und ich denke, also auch von unserer Seite, von Dell-Technologies-Seite, her haben wir verschiedene Angebote, die wir mit Schulen da auch angehen. Also das reicht von natürlich der Technologie und der Infrastruktur, aber auch hin zu tatsächlichen Schulungen im Umgang damit und was man dann auch tatsächlich tun kann und ermöglichen kann, um die digitale Transformation auch tatsächlich im Schulwesen Realität werden zu lassen. Und ich glaube, ganz wichtig ist dabei auch, dass wir den Schülern tatsächlich diese Möglichkeit und Plattform dann bieten, dieses virtuelle, innovative Entdecken und Kreieren, und nicht nur konsumieren, sondern tatsächlich auch dort wirklich digital selbst zu kreieren und zu gestalten, zu ermöglichen. Und dazu gehört dann, wie gesagt, die Basis, die man bei der Lehrerqualifikation, denke ich, legen muss. Von deiner Seite irgendeine bestimmte Ansicht, wie man das am besten machen könnte? Weil ich meine, die meisten sind ja fertig studiert, also da nützt jetzt erst mal nichts, das im Studium einzubringen. #00:11:37.1#

 

Dr. Anita Stangl: Natürlich muss man es auch im Studium anbringen. Ich finde auch, die Studenten sollten vom ersten Tag an mit digitalen Medien arbeiten. Die sollten auch viel mehr Medien selbst produzieren. Das finde ich, das findet zurzeit überhaupt nicht statt, das finde ich erschreckend, oder viel zu wenig statt. Wir betreuen ja ab und zu auch Seminare an der Uni und helfen dort und schauen, dass das vielmehr Thema wird. Und dann in der Fortbildung der Lehrer, natürlich gibt es Lehrerfortbildungseinrichtungen in Deutschland in jedem Bundesland. Und dort sollte das Thema, das ist schon ein Thema, aber dort wird es nicht verpflichtend als Thema genannt. Und das finde ich ganz dringend notwendig. Ich finde, das ganze Thema Medienkompetenz bei Lehrern sollte verpflichtend sein und das sollte heute noch anfangen und das sollte jede Woche stattfinden. Und dann kommen wir auf einem Stand, der wirklich akzeptabel ist. #00:12:29.6#

 

Benjamin Krebs: Absolut! Zumal wir ja auch davon ausgehen können und dürfen, dass alle diejenigen, die das studieren, gerade auch wahrscheinlich in ihrem privaten Umfeld sowieso ein absolut natürliches Interesse daran haben. Also sollten wir das dann auch ihnen ermöglichen, mit in den Beruf zu nehmen. Ja, sehe ich auch so. Gut! Ich meine, die aktuellen Umstände sind jetzt das eine, also das ist 2020, wo wir, glaube ich, innerhalb kürzester Zeit eine Riesen-Veränderung, einen Riesen-Shift auch in der Digitalisierung an vielen Stellen unseres Lebens gesehen haben. Allerdings ist unsere Reise und unser Navigationssystem ja auf 2030 eingestellt. Von daher die Frage jetzt auch an dich, Anita: Wie sieht denn, aus deiner Sicht, die Schule der Zukunft aus? #00:13:14.6#

 

Dr. Anita Stangl: Wenn ich wirklich weit vorausdenke, dann würde ich fast sagen, 2040, aber ich hoffe natürlich auf 2030. Da wird sich ganz viel verändert haben an Schule, da findet, aus meiner Sicht, der Unterricht nicht mehr so statt wie bisher im 45-Minuten-Rhythmus. Ich glaube auch, dass sich die Fächer ändern müssen. Was zurzeit in Schule stattfindet, zielt noch auf Berufsleben vor 30 Jahren ab, es ist rein wissensbasiert. Und heute brauchen wir etwas ganz anderes. Und eigentlich soll Schule ja auch neben dem pädagogischen Erziehen auf das Berufsleben in der Zukunft vorbereiten. Und wenn ich mal hier einen Praktikanten oder jemand bekomme, der eine Ausbildung möchte, und da steht, er hat schon Ahnung von CAD oder 3D-Druck oder von VR, dann sag ich sofort: Herzlich willkommen! Und unsere Schüler in unseren Schulen lernen davon viel zu wenig. Und ich glaube, die Zukunft oder die zukünftige Schule hat viel mehr Themen, die auch in der Berufswelt schon gang und gäbe sind, auf dem Programm. Ich weiß nicht, ob ihr die YouTube-Videos von diesem Jack Ma mal gesehen habt, dem Gründer von Alibaba. Der sagt auch ganz klar: Alles, was Roboter können, brauchen wir nicht mehr zu unterrichten. Wir brauchen Fächer wie Musik, Sport, Kunst, Zeichnen. Und das leuchtet mir auch total ein, weil wir werden in einer Roboterwelt in den nächsten Jahren aufwachsen, und unsere Kinder erst recht. Die werden sicherlich viel größeren Einzug nehmen, als wir das bis jetzt einschätzen können. Und da müssen wir unsere Kids darauf vorbereiten. Das heißt, Schule muss jetzt schon so gestaltet sein, dass wir für die Zukunft fit sind. #00:14:55.5#

 

Benjamin Krebs: Absolut! Und du hast es angesprochen, ich meine, die Arbeitswelt ist natürlich auch eine digitalisierte Arbeitswelt. Und die große Aufgabe ist es natürlich auch, dass wir es unseren Kindern ermöglichen, genau darauf, auf eine digitale Arbeits- und natürlich auch auf eine digitale private Welt, glaube ich, bestmöglich vorbereitet zu sein. Und das geht uns alle an. Das geht uns Eltern an, das geht die Schulen an, das geht natürlich auch die Politiker an. Ich finde das einen sehr spannenden Auftrag. #00:15:25.5#

 

Dr. Anita Stangl: Das wäre übrigens noch mal ein zweiter Punkt, den du gerade völlig richtig angesprochen hast. Ich glaube, dass die Schule der Zukunft viel, viel offener sein wird. Also dass die Eltern miteinbezogen sind, dass alle Vereine rund um die Schule einbezogen sind, alle Jugend- und Kindereinrichtungen, die rundum arbeiten, die Museen. Also ich glaube, dass die Schule sich viel, viel mehr öffnen wird in den nächsten Jahren, weil wir einfach uns mehr orientieren sollten an dem, was draußen passiert. #00:15:55.1#

 

Benjamin Krebs: Das sehe ich tatsächlich auch so. Also finde zum Beispiel auch einen großen Punkt das Thema Öffnung und auch der Kollaboration. Also dass man einfach mit anderen Institutionen zusammenarbeitet, dass man auch den Kindern vielleicht früher mal einen Einblick außerhalb der Schule gibt. Ich glaube, dass auch, wie du gesagt hast, der 45-Minuten-Rhythmus häufig gar nicht unbedingt absolut das reflektiert, was die Kinder an Konzentrations- und Neugierde-Zyklus mitbringen. Von daher glaube ich, extrem spannende Entwicklungen, die uns da hoffentlich noch bevorstehen. Und ich glaube, die aktuelle Situation kann dazu ein sehr positiver Auslöser sein. Wenn wir jetzt mal uns angucken, die Lehrer und Lehrerinnen sind ja auch ein wichtiger Beitrag, wenn die eine digitale Schule mit Leben füllen sollen, aus deiner Sicht, was genau müssen wir denn dort mitgeben? Wir haben es vorhin kurz angesprochen, was wir vielleicht auch im Studium und in der Fortbildung mit reinbringen wollen. Aber wenn du jetzt ein paar konkrete Themen wirklich ansprechen müsstest oder möchtest, auch Kompetenzen, die sie mitbringen sollen, was wären das, aus deiner Sicht, für den Lehrer, für die Schule in 2030? #00:17:09.3#

 

Dr. Anita Stangl: Ich denke, das Wichtigste, was der Lehrer im Moment braucht, ist eine Plattform, und die existiert in den meisten Ländern schon, auf der er wirklich alles hat, womit er arbeiten kann. Also er braucht eine Möglichkeit, mit den Schülern zu kommunizieren. Er braucht eine große Datenbank an tollem Unterrichtsmaterial, digital. Aber das existiert alles schon. Ich glaube, da müssen Lehrer auch dringend geschult und informiert werden, dass es dieses Material gibt. Das ist ein Thema, das wirklich spannend ist, weil man sagt immer, ah, wir müssen das jetzt alles aufbauen. Aber es gibt in Deutschland ein hervorragendes System, wir haben in jedem Bundesland unterschiedliche Plattformen, die die Lehrer komplett versorgen über die sogenannten Medienzentren mit Medien. Und da müssten Lehrer geschult werden, wie sie das Material finden und wie sie es dann nutzen können. In den Ländern, wo das schon üblich ist und gang und gäbe ist, da funktioniert das sehr gut. Und in anderen Ländern funktioniert das noch gar nicht gut. Wenn ich jetzt ein Beispiel nehme, in Heinsberg war ja der erste große Ausbruch von Corona, und da hat sich der Medienzentrums-Leiter sofort super engagiert, hat gesagt, ich brauche jetzt alles interaktive Material von euch auf meiner Plattform, hat das den Schulen sofort zur Verfügung gestellt und die Zugriffszahlen sind um 94 % gestiegen. Das heißt also, wenn die Lehrer das Material haben und wissen, wie sie darauf zugreifen können, dann wird es auch genutzt, und die Lehrer sind extrem dankbar dafür. #00:18:40.3#

 

Benjamin Krebs: Ja, das klingt, absolut, ich meine, das klingt so, als ob wir da eigentlich mehr oder weniger ready to go wären und gar nicht mehr so viel davor schalten müssen, um schon anzufangen. Von daher, ja, ich hoffe sehr, dass wir das dann gemeinschaftlich schaffen und noch viel mehr solche Beispiele wie jetzt das von dir genannte in Heinsberg sehen. Hm! Bei mir meldet sich langsam tatsächlich schon wieder so ein bisschen leichtes Hungergefühl. Ich weiß nicht, was unser Snack-Beauftragter vielleicht zu bieten hätte? #00:19:11.8#

 

Roland Schäffer: Du, Benny, da habe ich genau das Richtige für dich. Ich krame hier mal in meiner Tasche, ich habe hier was. Laut einer Studie der Gesellschaft für Digitale Bildung von 2018 teilen sich im Schnitt im Klassenraum zehn Schüler einen gestellten Computer. Bei Tablet und Laptop sehen die Zahlen noch viel kritischer aus. Hier teilen sich 41 beziehungsweise 68 Schüler*innen ein Gerät. In Deutschland nutzen lediglich 15 % der Schüler*innen eigene mitgebrachte Geräte, sogenanntes Bring Your Own Device. In Dänemark sind es 90 %. Die Zahlen haben sich seit der ersten Erhebung kaum verändert. Was sagst du denn dazu? #00:19:45.8#

 

Dr. Anita Stangl: Ja, das kann man ganz klar beantworten. Die Zahl hat sich natürlich jetzt gerade radikal verändert. Im Rahmen von Corona mussten ja Schüler mit irgendeinem mobilen Endgerät arbeiten. Im Moment ist es so, dass 85 % das tatsächlich über ihr Handy lösen, was natürlich keine optimale Lösung ist, aber eine Zwischenlösung. Und Staat und Bund arbeiten ja daran, die Schulen tatsächlich auszustatten, es gibt ja den Digitalpakt. Und man hat jetzt ganz konsequent auch vom Digitalpakt wirklich viel Geld abgezogen, 500 Millionen, um den Schülern, die keine Endgeräte haben, auch Geräte zur Verfügung zu stellen. Und ich denke, das hat sich sehr, sehr stark gewandelt seit 2018. #00:20:31.0#

 

Benjamin Krebs: Sehr gut! Das ist sicherlich eine tolle Entwicklung. Also ich glaube auch, dass das extrem wichtig ist, dass wir tatsächlich einfach jedem Schüler und jeder Schülerin die Möglichkeit geben, über solche Endgeräte auf Content zugreifen zu können. Und wie du es schon gesagt hast, mit dem Bildungspakt haben wir da eigentlich auch die perfekte Voraussetzung geschaffen. Nachdem der anfangs nicht so wirklich viel genutzt wurde, freut mich das natürlich umso mehr, die aktuelle Entwicklung dort beobachten zu können und dann auch zu sehen, dass er jetzt intensiv genutzt wird. Denn ich denke auch, eine Grundvoraussetzung natürlich ist, dass wir die digitale Bildung auch jedem Schüler ermöglichen und keinen Schüler oder Schülerin irgendwo ausschließen, wenn es nur ein Mangel an Technik geben sollte. Also von deiner Seite aus, Anita, wenn ich das richtig verstanden habe, siehst du, dass es momentan an der Technik eigentlich nicht mehr so hapert? #00:21:27.2#

 

Dr. Anita Stangl: Sagen wir mal so, ich glaube, die Technik wird immer als Ausrede benutzt. Natürlich fehlt uns noch ganz viel technische Ausstattung, das steht außer Frage. Also ich glaube, in 2030, davon, wo wir ja reden, wird jeder Schüler selbstverständlich ein eigenes mobiles Endgerät haben, also wie die Studenten auch. Aber im Moment ist es so, dass die Schüler auch jetzt schon arbeiten können mit digitalem Material, auf welchem Gerät auch immer zurzeit. Und das, was du gerade noch mal ansprachst, ich bin schon ganz zufrieden mit dem Digitalpakt, das stimmt schon, im Rahmen der Sonderausschüttung, die es jetzt für die Soforthilfe gibt, ansonsten könnte man da deutlich schneller vorwärtsschreiten. Der Digitalpakt, der ist ja auch auf mehrere Jahre angelegt, aber diese Prozesse, Gelder zu beantragen und dann tatsächlich Gelder ausgeschüttet zu bekommen, das ist immer noch relativ bürokratisch, und das verzögert und hemmt den Fortschritt. #00:22:29.5#

 

Benjamin Krebs: Ja, das ist natürlich was, was wir alle hoffen, dass das nicht mehr der Fall sein wird in Zukunft. Da hilft uns vielleicht auch eine andere Tätigkeit von dir, um da vielleicht noch einen neuen Blickwinkel zu gewinnen. Du bist Vorstandsmitglied des ICEM, dem Internationalen Council für Educational Media. Und ihr tauscht euch da ja auch auf internationaler Ebene dazu aus, was die zeitgemäße Nutzung digitaler Medien ausmacht. Und unter anderem ist da eines der Beispiele auch Estland, die das sicherlich vorbildlich tun, du hast vorhin schon Norwegen auch genannt. Was denkst du, können wir in Deutschland speziell von anderen Ländern lernen, um dann bei uns tatsächlich da den Turbo einzulegen? #00:23:13.3#

 

Dr. Anita Stangl: Dieser Austausch mit der ICEM ist für mich wirklich Gold wert, dass wir da immer wieder über den Tellerrand blicken und sehen, wie funktioniert das in anderen Ländern. Du sprachst Estland an, oder Finnland, das sind natürlich die skandinavischen Länder, die weit vorne sind. Aber auch in anderen Regionen ist es selbstverständlich, dass Medien im Alltag ständig eingesetzt werden. Wir haben hier Austausch mit Südkorea, mit Honolulu, mit Amerika, mit Australien, also in all den Ländern ist es leider deutlich fortschrittlicher im Bildungsbereich als bei uns. #00:23:52.6#

 

Benjamin Krebs: Irgendwelche speziellen Punkte, wo du sagst, Mensch, genau die Hebel, wenn wir die richtig stellen, dann können auch wir die richtige Geschwindigkeit da hinlegen? Gibt’s da was, was du siehst? #00:24:02.1#

 

Dr. Anita Stangl: Ja, wir haben es ja schon angesprochen, also die Ausgaben des Digitalpakts sollten schnell und einfach gehen. Wir müssen auch über den Datenschutz reden. Den müsste man vielleicht etwas, ich bin da jetzt ganz vorsichtig, etwas weniger krass formulieren. Unsere Schüler begegnen so der so draußen bei Google und sonst wo vielen Dingen, die sie nicht sehen sollten. Aber dieses Thema Datenschutz bremst ganz viel ein. Jetzt allein das Nutzen von Konferenztools, da wird zu lange darüber diskutiert, welches Tool ist jetzt wirklich clean und welches nicht. Ich glaube, da muss man einfach das ein bisschen weiter auslegen. Ich glaube, das ist eine unserer Baustellen hier. #00:24:47.7#

 

Benjamin Krebs: Vielen Dank, Anita! Wir haben ja auch die Gelegenheit bei dir, vielleicht noch mal aus einem etwas anderen Blickwinkel auch zu lernen und eine Sichtweise zu bekommen. Du bist Vorstandsmitglied bei ICEM, der International Council for Educational Media, und da tauscht ihr euch auch auf internationaler Ebene aus, was eben die zeitgemäße Nutzung dann von digitalen Medien ausmacht. Da gibt’s verschiedene bekannte Vorbilder, unter anderem Estland. Du hast vorhin schon auch ein anderes Land genannt. Wie können wir in Deutschland speziell von diesen Ländern lernen, um auch bei uns vielleicht passend zu unserer Autofahrt den Turbo-Gang einzulegen? #00:25:29.5#

 

Dr. Anita Stangl: Für mich ist dieser Blick über den Tellerrand Gold wert. Ich finde das erstens selbst sehr, sehr spannend, was in den anderen Ländern passiert. Aber man muss leider auch sagen, die anderen Länder sind deutlich weiter als wir. Wir haben im Vorstand zurzeit Mitglieder aus Südkorea, aus Portugal, aus Honolulu, aus Estland, aus Wien und natürlich aus Deutschland. Und das Feedback aus den anderen Ländern ist jedes Mal Entsetzen, wenn ich beschreibe, wie wir gerade in Corona-Zeiten unsere Schüler versorgen. Dort ist Online-Lernen vom ersten Tag an möglich gewesen. Und zwar so ähnlich, wie du das eben beschrieben hast bei deinem Sohn mit 24 Stunden, was mich sehr positiv überrascht hat. Das ist wirklich eine Ausnahmesituation. Meine Jungs sind jetzt, jetzt muss ich mal nachrechnen, die 10. Woche zu Hause und machen seit zwei Wochen Videokonferenzen. Die ersten 8 Wochen war also null Kontakt mit dem Lehrer, außer einmal, als einer anrief wegen einer Note. Und das ist natürlich verschwendete Zeit. #00:26:41.2#

 

Benjamin Krebs: Auf jeden Fall! #00:26:42.4#

 

Dr. Anita Stangl: Das ist Zeit, die den Kindern verloren geht, den Inhalten verloren geht und unserer gesamten Bildung verloren geht. #00:26:48.4#

 

Roland Schäffer: Jetzt muss ich mal ganz kurz meine Nase hier aus der Chipstüte rausziehen und doch auch noch eine Frage an Anita richten. Glaubst du, dass wir in Deutschland so als bürokratisches Land doch zu viele Hürden an digitale Schulbuch-Unternehmen wie zum Beispiel deines auflegen? Ist dieser Prozess zu schwierig? #00:27:08.5#

 

Dr. Anita Stangl: Das würde ich mit einem klaren Ja beantworten. Ich denke, die Hürden sind im Moment viel zu groß. Unsere Behörden sind noch nicht auf das Thema digitalen Unterricht und digitale Medien eingestellt. Ein klares Beispiel: Wir haben unser digitales Schulbuch eingereicht, und zwar 2018. Es ist noch immer nicht zugelassen. Und die Einreichung, ich betone das jetzt so, von unserem digitalen Schulbuch, und die mussten wir dreifach ausgedruckt vornehmen. Das sind rund 300 Seiten jeweils gewesen. Und eigentlich kann man so ein digitales Schulbuch gar nicht ausdrucken, weil ja in dem digitalen Schulbuch ganz viele Animationen sind, 3D-Grafiken, Videofilme. Und rein technisch lässt sich das natürlich schon nicht ausdrucken. Es konnte also nur der Text im Prinzip ausgedruckt werden mit den Bildern. Und da ich davon überzeugt bin, dass Bilder für sich sprechen, hat unser digitales Schulbuch natürlich eine Fülle an Bildmaterial, weil den Kindern das auch Spaß macht, so ein Buch durchzublättern. Und immer, wenn wieder schöne Tiermotive auftauchen und man kann das Bild großmachen, dann macht das einfach Freude beim Lernen. Und all diese Bilder musste ich jetzt ausdrucken. Und der Prozess ist sehr komplex. Es gibt andere Länder, zum Beispiel in Nordrhein-Westfalen, da hat man jetzt das Zulassungsverfahren geändert. Dort haben wir auch ein digitales Schulbuch eingereicht für das Fach Deutsch, und die haben gesagt, das ist sofort zugelassen, die Schulen können das Buch ausprobieren, und erst nach einem Jahr wird überprüft, ob die Schulen damit ihre Inhalte abgedeckt haben und damit zufrieden sind. So etwas müsste man eigentlich gesamt deutschlandweit diskutieren, ob solche Zulassungsverfahren sich deutlich vereinfachen. #00:28:52.2#

 

Benjamin Krebs: Finde ich ein sehr schönes Feldexperiment. Gefällt mir die Herangehensweise. Wollen wir alle hoffen, dass das jetzt aktuell mit der Situation vielleicht auch dazu führt, dass wir bezüglich Digitalisierung auch speziell bei den Schulen und Medien dann da etwas schneller und vielleicht auch innovativer werden können. Ich drücke die Daumen auf jeden Fall für Nordrhein-Westfalen, dass das sehr gut und schnell funktioniert. Du hast einen wichtigen Aspekt reingebracht, Anita, das Thema Spaß, Spaß beim Lernen. Es gibt bei dir, meines Wissens nach, auch einen Bereich, der dir außerhalb deiner Arbeit sehr viel Spaß macht, den will ich jetzt auch gerne noch mal für eine Frage hernehmen. Und zwar bist du neben deiner Kompetenz als Bildungsexpertin ja auch Schachprofi. Du spielst in der Schach-Bundesliga der Frauen und warst sogar 2015 die deutsche Meisterin im Frauen-Schnellschach. Jetzt ist meine Frage diesbezüglich, nachdem Schach ja auch so ein interaktives und logisches Denken förderndes Spiel ist: Wäre es nicht eine gute Idee, wenn vielleicht sogar Schach auch Schulfach werden sollte? #00:29:58.4#

 

Dr. Anita Stangl: Ja, kann ich ganz klar mit Ja beantworten. Es gibt ganz spannende Studien aus Russland, dort hat man Schulklassen unterrichtet parallel, eine Klasse mit Schach als Unterrichtsfach und eine Klasse ohne. Und die Skills, die die Schüler, die in der Schachklasse waren, nachher hatten, waren nicht nur bessere Noten, sondern tatsächlich auch besseres logisches Denken, besserer Umgang mit Verlusten, besseres strategisches Planen, besseres Konzentrieren. Also es gibt ganz viele Elemente beim Schachsport, der auch Skills oder Eigenschaften fördert, die neben dem Schach sehr nützlich sind. Ich kann das für mich selbst sagen. Also zu Studienzeiten, wenn ich eine Klausur angefangen habe und der Zettel der Klausur lag auf dem Tisch, stand für mich fest, so, jetzt geht’s los. So wie bei einer Schachpartie die Uhr dann anfängt zu laufen. Und ab dem Zeitpunkt fange ich an, mich mit voller Konzentration auf dieses Thema zu stürzen. Und das hat mir sehr geholfen, und in Russland ist Schach selbstverständlich auch Schulfach. Und es gibt auch viele andere Länder, die das schon einführen. Es gibt einige deutsche Schachschulen, aber das als Fach wäre sicherlich sehr hilfreich, besonders bei jungen Kindern. Also man empfiehlt, dass Kinder ab acht Jahren Schach lernen sollten, also nicht lernen sollten, lernen sollten sie es viel früher, die können schon ab drei Schach lernen, aber wenn sie ab acht Schach gelernt haben, dass sie andere kognitive Voraussetzungen haben, die ihnen sehr viel helfen können im späteren Leben. #00:31:30.7#

 

Roland Schäffer: Jetzt lade ich euch noch zum kleinen Boxenstopp ein. Vielleicht nehmen wir noch einen kleinen Snack zu uns. Anita, du hast gesagt, in Russland ist Schach schon lange Schulfach. Überhaupt, es sind ja andere Länder schon teilweise weiter, was kreative Ideen für den Unterricht so betrifft. In Estland zum Beispiel ist das digitale Klassenzimmer bereits Realität. Schon Mitte der 90er Jahre wurde ein Programm initiiert, um alle estnischen Schulen innerhalb von fünf Jahren mit einem Internetzugang und Computern zu versorgen. Robotik-Projekte finden bereits im Kindergarten statt, Programmieren lernen schon die Erstklässler. Das Smartphone ist da gar keine Ablenkung, sondern Arbeitsgerät. Es gibt Smartboards in den Klassenzimmern und der Schulalltag wird weitgehend über eine Online-Plattform organisiert. Zum Vergleich: In Deutschland ist der Digitalpakt seit einem Jahr in Kraft. 5 Milliarden Euro stellt der Bund für den Ausbau des digitalen Unterrichts zur Verfügung. Ein Jahr nach Inkrafttreten wurde aber nur bisher ein Bruchteil des Geldes von Schulen und Bundesländern abgerufen. Das hat die Bitkom gesagt. Anita, was meinst du dazu? #00:32:26.3#

 

Dr. Anita Stangl: Das Thema hatten wir ja eben schon. Also was jetzt das Sofortpaket anbelangt, ist der Digitalpakt ganz gut unterwegs. Was das andere Geld belangt, dauert es einfach zu lange. Und wenn ich den Blick noch mal zurück nach Estland werfe, also ich habe viele Schulen in Estland besucht, und da ist die Schulstruktur auch eine andere. Durch die Schulen werden wir von Schülern geführt, die Schüler haben eigene AGs, die Schüler machen ganz viel gestalterisch in dieser Schule. Die sind richtig in ein Team, das sich Schule nennt, integriert. Also da ist dieses Aufweichen, von dem ich vorhin sprach, auch nach außen hin viel, viel alltäglicher und viel eigenständiger wird dort gearbeitet. Und man geht in die Klassen, die einem gefallen, man sucht sich das aus, wo man gerne ist. Und du hast es völlig korrekt angesprochen, selbst in den Grundschulklassen werden Roboter schon wie selbstverständlich eingesetzt. Dort gibt’s so kleine Bienchen, ich weiß nicht, ob ihr die schon mal gesehen habt, Bee-Bots heißen die. Die werden dann programmiert und dann müssen die Kinder den Bienen sagen, gehe jetzt zu Buchstabe A für Anita, dann zu N, I und so weiter. Und dann wandert die Biene entsprechend der Programmierung zu den Buchstaben. Oder man kann damit Mathematik-Aufgaben lösen. Alles spielerisch, das macht den Kindern Freude, und gleichzeitig lernen sie im Hintergrund ganz viel Programmierkenntnisse, weil man ja den Bienchen erst mal sagen muss, wie es gehen soll. Also die fangen da ganz früh schon an, und das Thema Programmieren ist selbstverständlich als Schulfach. #00:33:58.6#

 

Roland Schäffer: Unglaublich spannend. #00:33:59.9#

 

Benjamin Krebs: Wirklich sehr tolle Entwicklung und sehr schöne Beispiele. Ich hoffe sehr, dass wir uns da in Deutschland auch die eine oder andere Scheibe abschneiden. Ich persönlich kann da schon auch positive Beispiele sehen und entdecken. Was ich vorhin gesagt hatte mit den 24 Stunden, unter anderem haben wir da auch Programmier-Exercises gehabt, wo sie jetzt dann auch tatsächlich, nachdem sie mit dem Tablet schon arbeiten, das dann auch machen können. Also ich glaube, gerade diese besondere Situation im Moment gibt uns in Deutschland eine Gelegenheit, dort in den nächsten Gang zu schalten. Ja, es sieht so aus, als haben wir noch einiges an Nachholbedarf. Wir sind jetzt allerdings schon fast am Ziel unserer aktuellen Zwischenetappe auf der Road to 2030. Wir kennen jetzt einen Teil der Landkarte. Anita, was kannst du den Schulen und Akteuren in der Bildung noch empfehlen, damit sie sich auf dem Weg in die Zukunft vielleicht nicht verfahren? Und was sind die nächsten Schritte, aus deiner Sicht, die wir gemeinsam gehen können und müssen, um unsere Kinder und Jugendlichen gut gebildet ins Jahr 2030 zu bringen? #00:35:13.2#

 

Dr. Anita Stangl: Was ich auf jeden Fall empfehlen würde, wäre, dass sich Schulen und auch Lehrer dringend mit ihren Medienzentren kurzschließen. Dieses Erfolgsmodell aus Heinsberg, was ich vorhin genannt hatte, das gleiche gab‘s in Nürnberg, das gleiche gab‘s in Miltenberg, dort haben Medienzentren aufgerüstet und gesagt, wir brauchen Material, und haben Kontakt aufgenommen zu ihren Schulen über die Presse, über das Landratsamt, und haben enorme Erfolge. Das könnte man viel flächendeckender vornehmen. Und wenn man so ein bisschen ausblickt, wo geht es hin? Mir hat mal ein Professor gesagt, ich soll mal darüber nachdenken, wenn man Schule heute komplett neu erfinden würde, dann würden wir doch gar nicht mehr so ein System schaffen. Wir hätten doch Konferenzräume, wo verschiedene Dinge stattfinden, wo sich Arbeitsgruppen treffen, wo verschiedene Themen angegangen werden, wo viel mehr Projektarbeit stattfindet. Ich glaube, darüber muss man viel mehr nachdenken, wie Schule sich umgestalten kann. #00:36:06.3#

 

Benjamin Krebs: Vielen Dank, Anita! #00:36:08.3#

 

Sie haben Ihr Ziel erreicht.

 

Benjamin Krebs: Das waren heute wirklich spannende Einblicke und Perspektiven auf die digitale Bildung mit Zukunft. Ich denke, wir haben alle miteinander gelernt, dass wir Bildung viel interaktiver, viel vernetzter und auch losgelöst vom festen Lernort Schule denken können und auch sollten und aktuell tatsächlich an vielen Stellen auch schon tun. Wenn man sich anschaut, was wir heute betrachtet haben, ging das von digitalem Content über gute Ausbildung der Lehrer hin zu einer perfekten digitalen Infrastruktur. Und zu guter Letzt natürlich auch das Thema Mindset, dass wir einfach mal neue Wege gehen, sei es bei der Zulassung eines digitalen Schulbuchs oder sei es auch einfach beim Ausprobieren der Zusammenarbeit zwischen Schüler und Lehrer in dieser besonderen Zeit, wo man eben nicht physikalisch zusammen sein kann. Und da ist es vielleicht auch besser, wenn man schnell etwas macht und dann vielleicht einen Fehler macht und sich danach korrigiert, als dass man es gar nicht macht. Und in dem Zusammenhang freue ich mich auf die weiteren Etappen und natürlich auch Wege, die wir gemeinsam auf der Road to 2030 gehen, und bedanke mich an dieser Stelle bei unserem Gast, Anita, bei unserem Snack-Beauftragten Roland, und wünsche viel Vergnügen dann bei der nächsten Folge. Vielen Dank! Tschüss! #00:37:35.4#

 

Roland Schäffer: Ciao! #00:37:36.1#

 

Dr. Anita Stangl: Tschüss! #00:37:36.5#

 

Roland Schäffer: Vielen Dank fürs Zuhören! Wenn euch die Folge gefallen hat, würden wir uns freuen, wenn ihr den Podcast abonniert. Das macht ihr auf SoundCloud, Spotify oder der Dell Technologies Mediathek. Ansonsten hören wir uns in zwei Wochen wieder. Dann mit dem Thema Künstliche Intelligenz. Und der Gast und Co-Pilot ist dann Prof. Dr. Peter Gentsch. Ich freue mich auf euch. Bis dahin! Ciao! #00:37:58.3#

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