Von Hardware-diktiert zu Software-definiert

Foto: Stefan Züger
Foto: Stefan Züger

Stefan Züger, Director PreSales war bei der TeleNetFair 2016. In seiner Keynote Speech legt er überzeugend dar, dass die Zukunft der IT Software-definiert ist.

Alter Wein in neuen Schläuchen?

Wir haben uns ja in unserer Branche daran gewöhnt, dass wir nebst vielen Innovationen doch auch gerne einmal alten Wein in neuen Schläuchen ausschenken. Warum sollte ein Thema, mit welchem wir vor zehn Jahren grosse Erfolge gefeiert haben, nun plötzlich nicht mehr ziehen? Software-defined haben wir ja nicht seit gestern.

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Der Wein ist nicht ganz so alt, und der Schlauch auch nicht mehr ganz so neu. Der grosse Unterschied zeigt sich im Attribut defined. Ich habe es hier unterstrichen. Es bezeugt, dass sich SW-Komponenten in unserem Geschäft vom lizenzierbaren Accessoire zu dem Faktor gemausert haben, der das eigentliche Wesen der Infrastruktur bestimmt.

Einer der einflussreichsten Beiträge zu der «SW-definierten Wirtschaft» wurde vom Netscape-Gründer und Risikokapitalgeber Marc Andreessen im August 2011 – also vor fünf Jahren im Wall Street Journal publiziert.

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Software is eating the world.

Im Artikel demonstriert er den zunehmenden Einfluss und begründet den Marktwert von SW-basierenden Unternehmen in der globalen Wirtschaft: Amazon, Netflix, Google, Facebook, Spotify, Linkedin

Von besserer Auslastung …

Als Diane Green und Mendel Rosenblum 1998 die Firma VMware gegründet haben, ging es ihnen primär darum, die von Mainframes bekannten Virtualisierungsmethoden auf dem Desktop umzusetzen. Primäres Ziel dabei war: Brachliegende Prozessorkapazität besser zu nutzen.

… zu grösserer Agilität.

Eine gute Auslastung teurer Infrastrukturkomponenten ist auch heute noch willkommen – viel wichtiger jedoch ist die Steigerung der Agilität geworden, die Verkürzung der „time to market“ dank schneller, flexibler Ausrichtung auf geänderte Anforderungen.

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Zeit ist eben doch Geld.

Warum ist Time to Market so wichtig geworden? Ein Angebot als erster am Markt zu platzieren ist oft die einzige Möglichkeit, die nötige Marge zu generieren, um die Eigenfinanzierung der Neuentwicklung sicherzustellen. Sobald die Mitbewerber ebenfalls auf dem Markt sind, entwickelt sich die Marge gegen Null.
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Die neuen Wilden machen es vor.

Die Vorgabe für diesen Markttrend kommt bezeichnenderweise von Marktteilnehmern, die für ihre Leistungen dem Endkonsumenten nichts verrechnen. Dienste wie Facebook, Google, Twitter und Instagram sind kostenlos und bieten dadurch bewusst keine Einstiegsschwelle für neue Benutzer. Entsprechend schlecht lässt sich das Benutzerverhalten prognostizieren. Für diese Unternehmen ist es wichtig, ihre Dienste auf einer Plattform anbieten zu können, die bei Wahrung der Kostenführerschaft eine nahtlose Erweiterung und eine unterbruchsfreie Erneuerung ermöglicht. Dies erreichen diese Unternehmen dadurch, dass sie bewusst auf Infrastrukturen setzen, die sie in den meisten Fällen selber entwickelt haben – und die auf billigstmöglichen Standardkomponenten laufen.

Damit nicht genug.

Neue und existierende Unternehmen benützen SW, um traditionelle Geschäftsmodelle zu durchbrechen. Entweder, indem traditionelle Angebote um SW-definierte Komponenten ergänzt werden, oder indem sie gleich ganz ersetzt werden

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Rasantes Wachstum

Auch wenn die Vorteile einer SW-definierten Infrastruktur auf der Hand liegen, überrascht dennoch das Tempo, mit welchem sie Einzug im Rechenzentrum halten: Die Marktanalystin IDC schätzt, dass SW-definierte Infrastrukturen bis mindestens 2020 mit jährlich 25 Prozent die am schnellsten wachsende Komponente im Infrastruktur sein werden. Der Gesamtumsatz mit SW-definierten Infrastrukturen wird 2019 die magische Grenzen von 50 Mia Schweizer Franken überschreiten. SW-definierte Infrastrukturen kommen bereits heute in jedem zweiten Rechenzentrum weltweit zum Einsatz – ob als Pilot oder bereits im produktiven Einsatz.

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Fünf Bedingungen

Welchen Bedingungen muss denn eine SW-definierte Infrastruktur gerecht werden, damit wir ihren Einsatz aus wirtschaftlichen Gründen als wünschenswert erachten? Ich zähle fünf Kriterien.

  1. Standardisierte Plattformen. Da die Funktionalität der Infrastrukturkomponente ausschliesslich in der Software definiert ist, verliert die darunterliegende Hardware an Bedeutung. Sie wird –neudeutsch – zur Commodity, zum Allerweltsprodukt.
  2. Flexible Bezugsmodelle. Im Gegensatz zu HW-Produkten sind die Kosten einer SW-Entwicklung bei Marktlancierung eigentlich bereits versunken. Selbstverständlich sind sie nicht abgeschrieben, sondern müssen für die Weiterentwicklung des Codes auch wieder hereingespielt werden; andererseits zwingt niemand den Hersteller, sich an traditionelle Lizenzmodelle zu halten. Verrechnungsmodelle nach konsumierter Menge, nach Zeitraum, ja sogar die kostenlose Bereitstellung einer SW werden nicht durch das Auflaufen und Abtragen von sprungfixen Kosten verhindert.
  3. Bedarfsgerechte Skalierung. Störend bei Beschaffungen grosser Enterprise-Infrastrukturen ist ja vor allem die hohe finanzielle Vorausleistung, die der Käufer tätigen muss, um in den Genuss der Anfangsleistung einer Infrastruktur zu kommen. Bei einer SW-definierten Infrastruktur, die auf standardisierten Komponenten läuft, lässt sich die beschaffte Menge einer gewünschten Funktionalität viel einfacher mit kleinen Investitionsschritten nachbauen.
  4. Zweckorientierte Optimierungsmöglichkeiten. Infrastrukturen werden entweder für grosse Kapazitäten oder für hohe Performance gebaut. Das ist auch bei SW-definierten Infrastrukturen nicht anders – allerdings lassen sich SW-definierte Infrastrukturen leichter auf einen bestimmten Zweck tunen – und erfordern keine grundsätzlichen anderen Skills, wenn statt einer performance- eine kapazitätsorientierte Infrastruktur gebaut werden soll.
  5. Entkopplung von SW- und HW-Lebenszyklen. Beschaffer grosser Enterprise-Infrastrukturen sind sich gewohnt, jeweils nach Ablauf der Abschreibungsfrist eine Neubeschaffung zu tätigen, bei der sämtliche Komponenten einer Infrastrukturlösung dem Lebenszyklus unterworfen werden, der letztlich durch die zentrale Hardware diktiert wird. Eine SW-definierte Lösung, die auf Standardkomponenten läuft, lässt auch den Austausch dieser Standardkomponenten zu, ohne dass dazu die SW-definierte Lösung selber erneuert werden muss.

Herausforderung SW-defined

Es mag sie erstaunen, diese Ausführungen aus dem Mund eines Vendors zu hören, der während der vergangenen 40 Jahre für seine spezialisierten zentralen Infrastrukturen bekannt war. Wie geht denn ein Hersteller wie DellEMC mit dieser Herausforderung um? Grundsätzlich haben wir vier Strategien:

  1. SW-only: DellEMC gibt im Jahr etwas mehr als 3 Mia USD in Forschung und Entwicklung, und ein Grossteil davon geht in die Entwicklung SW-definierter Lösungen. Neues Know-how wird dabei oft durch eine geschickte Akquisitionspolitik ins Unternehmen und danach schnell in einen geordneten Produktelebenszyklus gebracht. Das Ziel: Lösungen marktreif zu machen, die ohne HW-Komponenten auskommen. Nebst der  VMware-Palette wären hier auch die Security-Produkte von RSA zu nennen.
  2. SW as well: Die zweite Strategie basiert darauf, dass SW das Wesen einer Lösung entscheidend bestimmt, ist ja nichts Neues. Neu aber ist, dass die Intelligenz aus bestehenden Produkten in Form einer SW-definierten Lösung vervollständigt wird. So können unsere Kunden heute zwischen physischen und virtuellen Versionen der Isilon-Produktelinie wählen. Vom NAS-Gateway Celerra gibt es gar keine physische Variante mehr – das Produkt wird als virtuelle Lösung auf dem Hypervisor der VMAX-Speicherarrays gefahren.
  3. OpenSource: In den vergangenen zwei Jahren ist DellEMC auch dazu übergegangen, den Sourcecode einzelner SW-Lösungen frei zu publizieren und die Entwicklergemeinde einzuladen, sich an der Weiterentwicklung, aber auch dem Customizing dieser Produkte zu beteiligen. Ein gutes Beispiel hierzu ist das Projekt CoprHd, die Opensource-Variante der HW-Management-Plattform ViPR.
  4. Free for Use: Eine Veröffentlichung des Quellcodes ist nicht bei allen unseren SW-Produkten möglich – aber selbst bei Lösungen, bei welchen der Sourcecode unser Eigentum bleibt, hat sich mittlerweile durchgesetzt, dass die SW-definierten Produkte kostenlos genützt werden dürfen – Geld wird hier nur noch mit den Supportkosten für die produktive Nutzung gemacht.

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Die Zukunft

Bei der Telnet Fair war das Wort Cloud-Computing in aller Munde, und es herrscht grosse Skepsis der Cloud gegenüber. Eigentlich aber ist auch Cloud-Computing nicht etwas dramatisch Neues, sondern letztlich nur ein neues Konsumationsmodell, das aufgrund verschiedener günstiger Parameter schnell an Akzeptanz gewinnt. Ich selber wage keine Prognose zu treffen, bis zu welchem Grad sich Cloud-Computing durchsetzen wird.

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Einladung

Klar ist mir allerdings eines: Wie auch immer sich die Zukunft der IT-Infrastruktur gestalten wird – sie wird SW-definiert sein. Darum meine Einladung an Sie: Bauen Sie das Kriterium SW-definiert in Ihre Karriereplanung ein. Arbeiten Sie sich in die Konzepte von SW-defined ein, sammeln Sie Ihre eigenen Erfahrungen. Sie werden staunen, wie weit sie mit ihrem eigenen Heimlabor kommen, ohne einen Franken für SW-Lizenzen auszugeben. Machen Sie sich gleichzeitig Gedanken, welche Basistechnologien in Ihrem Data Center am Einfachsten durch den Einsatz von SW-defined flexibilisiert werden können. Sprechen Sie mit uns darüber – dafür sind wir ja schliesslich da.

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